Politik ist vor allem eine Gestaltungsaufgabe. In Zukunft werden Politikerinnen und Politiker in dieser Gestaltungsaufgabe vermehrt von Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt werden und zwar vor allem dann, wenn es darum geht informierte Entscheidungen zu treffen. Worauf es bei der politischen Arbeit mit KI-gestützten Entscheidungsgrundlagen ankommt und was KI für die Demokratie bedeutet, das beleuchtete die Politische Akademie in Kooperation mit dem Wilfried Martens Centre for European Studies in einem Online-Symposium.
“Fortschritt ist nicht aufzuhalten, aber er kann und muss gestaltet werden”, betonte Bettina Rausch, Präsidentin der Politischen Akademie und Abgeordnete zum Nationalrat, zur Eröffnung des Symposiums. Künstliche Intelligenz sei eine Chance, die Qualität von Politik, von Demokratie und von Entscheidungen zu verbessern, wenn man sie richtig und verantwortungsbewusst einsetze.
Konsequenzen verantwortungsvoll managen
Nach der Einleitung durch Akademie-Präsidentin Rausch erklärte Mic Hirschbrich, international erfolgreicher Digital-Unternehmer und Vorstandsmitglied der Politischen Akademie, die Grundlagen von KI: In früheren industriellen Revolutionen und eigentlich bis zur letzten Jahrtausendwende, war die Sichtweise vorrangig, dass Technologie vor allem simple, standardisierte und sich ständig wiederholende Arbeiten vom Menschen übernehmen kann. KI aber zeichnet aus, dass sie besonders komplexe Arbeiten übernehmen kann. Künstliche Intelligenz errechnet mit ihren neuronalen Netzen Entscheidungen auf Basis erlernter Muster und trifft diese dann mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit.“
Darauf folgte ein Blitzlicht aus der Wirtschaft. Dort ist KI in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken, wenn es darum geht informierte Entscheidungen zu treffen. Julia Reuss, Director of Public Policy von META für Zentraleuropa, erläuterte, dass KI in vielen Bereichen die Angebote und Standards von Facebook überhaupt erst ermögliche. Täglich würden Unmengen von Content auf die weltweite Plattform geladen. So wäre Einhaltung der Community Rules, der digitalen Hausordnung von Facebook, ohne die Hilfe von KI gar nicht machbar. Allerdings, strich Reuss hervor, könne KI unpassende oder gesundheitsgefährdende Inhalte zwar erkennen, aber nicht beurteilen ob diese inadäquat seien. Hier sind hochqualifizierte Expertinnen und Experten gefragt, die entscheiden, ob veröffentlichter Content bleiben könne oder gelöscht werden müsse. Dazu müsse man eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen. Harald Leitenmüller, Chief Technology Officer von Microsoft Österreich, sprach sich für Transparenz und Verantwortung in der Anwendung und Entwicklung von AI aus. Entscheidungsträgerinnen und –trägern müsse klar sein, dass zwar KI Informationen über wahrscheinliche Konsequenzen zur Verfügung stellen könne. Die Einordnung und Bewertung dieser Konsequenzen und damit auch das Management dieser Konsequenzen bliebe aber weiterhin ganz klar die Aufgabe von Menschen.
Gedankliche Modelle machen den Unterschied
Prof. Viktor Mayer-Schönberger vom Oxford Internet Institut berichtete in seinem Impuls über die Macht gedanklicher Modelle. Große Datenmengen könnten eindeutig dabei helfen, informierter Entscheidungen zu treffen, allerdings käme es vor allem darauf an, mit welchem gedanklichen Modell wir diese Entscheidungshilfen bewerten. Er illustrierte dies am Beispiel der unterschiedlichen Reaktionen auf die Covid-Pandemie von Neuseeland und Großbritannien. Beide Länder hatten die gleichen Daten als Entscheidungshilfe, doch die Reaktionen fielen komplett unterschiedlich aus: Neuseeland referenzierte auf die SARS-Krise und machte unmittelbar nach Ausbruch der Pandemie die Grenzen dicht. Großbritannien setzte auf Durchseuchung. Das Ergebnis: Neuseeland gehöre auch heute noch zu den Ländern mit den niedrigsten Fallzahlen, während Großbritannien immer wieder unzählige Erkrankte zu verzeichnen hatte, die das Gesundheitssystem massiv belasteten.
Technologie wird das, was wir aus ihr machen
Prof. Armin Grundwald, Leiter am Institut für Technikfolgenabschätzung in Karlsruhe sowie Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung im deutschen Bundestag, beschrieb die Arbeit als Technikfolgenabschätzer. Die Disziplin der Technikfolgenabschätzung sei in der Mitte des 20. Jahrhundert im amerikanischen Kongress entstanden und damit nicht nur sehr eng mit der Demokratie verbunden, sondern sogar aus ihr heraus entstanden. Grunwald beschrieb die Zukunft als Raum der Alternativen und warnte vor einer stark deterministischen Haltung in Bezug auf die technologischen Entwicklungen. Diese Entwicklungen, betonte er, würden das werden, wozu wir sie machten.