Ähnlich oder doch ganz anders?

In einer weiteren Veranstaltung aus der Aufgeblättert-Reihe der Politischen Akademie erwartete die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Zeitreise in die Geschichte mit Bezug zur Gegenwart. Ehemaliger Landeshauptmann von Salzburg, Universitätsprofessor und heutiger Präsident des Karl von Vogelsang Instituts Franz Schausberger nimmt die Zuseherinnen und Zuseher gemeinsam mit Moderatorin Katharina Hofstadler mit auf einen Ausflug in das frühe 20. Jahrhundert. Anlass ist die aktuelle Corona-Krise und ihre Parallelen zur letzten großen Pandemie vor rund 100 Jahren – der Spanischen Grippe.

Bettina Rausch, Präsidentin der Politischen Akademie, leitet ein und erklärt die Idee hinter dem Thema, denn um aktuelle Ereignisse zu verstehen, müsse man in die Geschichte schauen und könne aus ähnlichen Herausforderungen früherer Generationen lernen. Immerhin wurde der Vergleich dieser zwei großen Pandemien allzu oft in den Medien diskutiert, jedoch nur von wenigen ausführlich analysiert. Einer von Ihnen schrieb im ersten Lockdown ein Buch dazu: Franz Schausberger. Obwohl dieser zwar kein Medizinhistoriker sei, noch es sich um sein Fachgebiet handle, faszinierte ihn die Ähnlichkeit der Pandemien. Somit seien die Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr Startschuss für seine Recherche zu Hintergründen, Herausforderungen und Auswirkungen der Spanischen Grippe und dem Bezug zur heutigen Lage mit dem Corona-Virus gewesen, startet Schausberger.

Heute wisse man, dass die Krankheit aus Amerika durch Soldaten im Ersten Weltkrieg nach Europa gebracht wurde und in den letzten Monaten des Krieges sich über die europäischen Schlachtfelder auf die ganze Welt ausbreitete. Schon damals war die Antwort der Öffentlichkeit auf die Krankheit, Zuhause zu bleiben und Kontakt mit Menschen zu vermeiden, vor allem zum eigenen Schutz. Nachdem man glaubte nach der ersten Welle alles überstanden zu haben, zeigte die Spanische Grippe ihr tödliches Gesicht. In der darauffolgenden Zeit forderte die Krankheit Millionen Leben, vorrangig betroffen waren junge Menschen bis zum dreißigsten Lebensjahr und hungernde Arme. Im Nachkriegs-Österreich und -Europa als es an Nahrung und nahezu allem mangelte grassierte die Pandemie daher besonders verheerend. Der Erreger sollte erst viel später um 1930 entdeckt werden, die Behandlung der damaligen Medizin griff auf Aspirin zurück, das lediglich Symptome bekämpfte und keine wirkliche Heilung versprach. Schausberger beschäftigte sich auch mit Auswirkungen auf die Wirtschaft in Österreich, so war damals an Reisen und eine Sommerfrische der Wiener in Tirol kaum oder nicht zu denken, was natürlich dem Tiroler Fremdenverkehr missfiel. Die Auswirkungen auf das öffentliche Leben könne man gut mit heute vergleichen, so wurden zum Beispiel Schulen geschlossen, jedoch andererseits der Betrieb der Theater und Restaurants großteils aufrecht erhalten. Ein funktionierendes Gesundheitssystem, dessen Überlastung heute durch verschiedene Maßnahmen verhindert wird, gab es im Österreich während des Krieges nicht. Zwar kam 1917 der erste Gesundheitsminister europaweit in Österreich ins Amt und der „Volksgesundheit“ wurde ein hoher Stellenwert eingeräumt, jedoch waren viele Ärzte und Apotheker im Kriegseinsatz an der Front. In der Heimat fehlte das ausgebildete Personal zur Behandlung der Kranken und schon bald litten die Friedhöfe unter Platzmangel.

Auf die Frage eines Teilnehmers, ob wie heute, früher Menschen die Antwort auf die Pandemie in Verschwörungstheorien suchten, antwortet Schausberger, dass dieser Zugang unverständlich sei und man bei einigen Theorien an der Vernunft mancher Menschen zweifeln müsse, allerdings in der Tat schon vor über hundert Jahren kuriose Geschichten entstanden. So gab es Falschmeldungen von Journalisten die Spanische Grippe sei ausgelöst worden durch den Giftgas-Einsatz der Kriegsparteien oder gar antisemitisch motivierte Gerüchte, eine jüdische Verschwörung stecke hinter der Krankheit. Schlussendlich meint der Präsident des KVVI im Hinblick auf Maskenverweigerer und Verschwörungstheoretiker, dass alle die nicht mitmachen würden sich nur selber schaden, in dem Sie der Grund für weitere Maßnahmen und Einschränkungen seien.

Ein wesentlicher Unterschied zu heute sei der Umgang mit dem Tod. Im Jahr 1918 waren die Menschen abgestumpft durch vier Jahre Krieg, Sterben und Hunger. Die anschließende Pandemie schien neben dem „Großen Krieg“, der die Welt wie man sie kannte für immer verändern sollte, eben nicht so wichtig, auch für die Geschichte. Die Menschen mussten sich mit dem Zusammenfall der Monarchie, dem verlorenen Krieg und einer zusammengebrochenen Wirtschaft arrangieren so schien die Pandemie wie ein nebensächliches Ereignis. Schließlich sollten mehr Menschen in Folge einer Erkrankung mit der Spanische Grippe als unmittelbar durch den Ersten Weltkrieg sterben. In einer friedlichen Welt, in der man glaubt jegliche Krankheiten behandeln zu können, treffe ein Virus wie Corona natürlich viel härter zu und verändere das Denken der Menschen. Heute spricht man von Veränderungen im Bereich der Digitalisierung. Damals gab es noch viel mehr Einflüsse auf die Gesellschaft, durch die sich nicht genau feststellen lässt, inwiefern die Spanische Grippe die Bevölkerung schlussendlich verändert hat.

Im Vergleich zu heute seien viele Maßnahmen einfach zu spät und zu locker gesetzt worden, ergänzt Schausberger. Durch Statistiken und Zahlen der Ansteckungen könne man die Wirkung von Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen heute berechenbar und sichtbar machen. Im frühen 20. Jahrhundert konnte man ohne Aufzeichnungen die Wirksamkeit der Maßnahmen nicht feststellen. Die Beobachtung und Reaktion auf Basis von Daten sei in der Corona-Pandemie die stärkste Waffe gegen eine unkontrollierbare Ausbreitung.

Abschließend ruft Schausberger mit den Erkentnissen aus seiner Recherche auf. Masken und Kontaktbeschränkungen seien das einzig wirksame Mittel gegen eine Pandemie und einen Virus gegen den es keine Impfung gibt. Das war immer so und wird auch so bleiben.

Spanische Grippe und Corona – eben doch sehr ähnlich.

Ähnlich und doch ganz anders. Spanische Grippe vor 100 Jahren und Corona heute
pmverlag | printmedia
56 Seiten
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