Grundrechte, Freiheiten, Institutionen: 175 Jahre erste liberale Verfassung

Anlässlich 175 Jahre Kremsierer Verfassungsentwurf, lud die Politische Akademie am 4. März 2024 zu einer Veranstaltung ein, welche die erste liberale Verfassung aus historischer, rechtlicher und soziologischer Sicht beleuchtete. Unter der Moderation von Benedikt Kommenda wurde mit Vorträgen von Historiker Ernst Bruckmüller, Rechtshistoriker Thomas Olechowski und Soziologen Manfred Prisching ein Überblick über die Ereignisse gegeben, die zur ersten liberalen Verfassung geführt haben und welche Inhalte davon bis heute noch geblieben sind.

Eingangs hielt Präsidentin Bettina Rausch-Amon fest, dass der Kremsierer Verfassungsentwurf ein bahnbrechender Entwurf war, weil er zum ersten Mal zum Ausdruck gebracht hat, dass alle Macht vom Volke auszugehen hat.

Alle Lager im Prozess eingebunden

Historiker Ernst Bruckmüller erläuterte die bürgerliche Revolution 1848 und wie der Reichstag gewählt wurde. Dabei hob er die Rolle der Bauern hervor, die ein starkes Segment im Reichstag bildeten, insbesondere im Verhältnis zum gehobenen Adel. Politisch gab es noch keine “Parteien” im heutigen Sinne, aber der Reichstag ließ sich grob in drei lose Vereinigungen gliedern: eine “Linke” aus deutschsprachigen Intellektuellen, welche als primäres Ziel eine deutsche Einheit verfolgten, ein regierungsfreundliches “Zentrum” aus Beamten und ähnlichen Berufen und eine “Rechte” aus Tschechen und Föderalisten. Die erste Aufgabe des Reichstages war es, in einem Verfassungsausschuss eine Verfassung weiter auszuarbeiten. Im Verfassungsausschuss waren prominente Vertreter aus allen Lagern vertreten.

Die Grundlage unserer Verfassung 

Aufgabe dieser Verfassungsbildung bestand aus zwei Teilen, wie Rechtshistoriker Thomas Olechowski weiter ausführte. Zum einen die Etablierung der Grundrechte, zum zweiten, die Organisation des Staates. Der Reichstag in Kremsier war das erste Mal, wo Abgeordnete über Grundrechte intensiv diskutieren. Olechowski betonte, dass obwohl der Kremsierer Entwurf nie in Kraft getreten ist, nachlegende Verfassungen nahtlos auf den Kremsierer Entwurf aufbauen. Dies zeigte Olechowski an Beispielen aus dem Staatsgrundgesetz 1867 wie dem Gleichheitsrecht oder der Wissenschaftsfreiheit sowie dem Hausrecht und dem Briefgeheimnis. Was revolutionär an der Verfassung war, war dass der Kaiser gezwungen wurde zu sanktionieren. Vor der Etablierung der Verfassung hat sich der Kaiser nur fallweise des Reichstages und der Landtage bedient.

Verfassung, an die sich auch Herrschende halten müssen

Soziologe Manfred Prisching spann ein weiteren Bogen zu den gesellschaftlichen Geschehnissen des 19. Jahrhunderts mit den zwei großen Revolutionen, der französischen und der amerikanischen. Der Revolutionismus war, laut Prisching, das Vehicle in die neue Zeit. Es gab den Pathos des Neubeginns. Es ging in der Zeit aber auch darum, die Freiheitskämpfe auf den Boden zu bringen, Institutionen zu etablieren. Eine Verfassung, an die sich auch herrschende halten müssen, war keine Selbstverständlichkeit. Demokratie sei ein kompliziertes Institutionsgefüge, in der es einen unabhängige Justiz und Pressefreiheit brauche. Heute führen wir eine Zensurdiskussion, es geht darum, von sozialen Plattformen rechtzeitig Inhalte zu löschen. Ohne liberale Tugenden funktioniere die erkämpfte Freiheit nicht, so Prisching.

Die Veranstaltung können Sie auf Facebook nachsehen.

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