Politische Studienreise nach Albanien

Reisebericht zur politischen Studienreise nach Albanien von 2. – 4. Oktober 2022

Von Paul Mychalewicz

Zu den bisherigen Stationen des Westbalkanschwerpunkts der Politischen Akademie Serbien, Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina und Montenegro hat Österreich zweifellos historische Bezüge. Mit dem nunmehrigen Reiseziel Albanien besteht jedoch eine besondere Verbindung, war Österreich doch ein wesentlicher Geburtshelfer bei der Staatsgründung 1912. Dabei muss aber eingestanden werden, dass dies nicht aus Selbstlosigkeit geschah, sondern der Absicht entsprang, Serbien keinen Meereszugang zu ermöglichen.

Diese historischen Erinnerungen mögen die Kontakte nach dem Ende der kommunistischen Diktatur 1990 durchaus erleichtert haben. So trafen wir nach einer längeren Busfahrt durch den Verkehrsstau vom Flughafen Tirana am Sonntagmittag im bereits in den 1990er Jahren erbauten Hotel Rogner ein. Dieses Gebäude in prominenter Lage im Zentrum ist ein unübersehbares Symbol für die österreichische Präsenz in der Hauptstadt Albaniens. Um den Zeitplan einhalten zu können, machten wir uns gleich flotten Schrittes auf einen Rundgang durch die Innenstadt. Fachkundig wurde uns dabei der bedeutende Einfluss des faschistischen Italiens erläutert. Auf dem breiten Boulevard in der Innenstadt fanden sich aber natürlich auch Baurelikte aus der kommunistischen Zeit. Ebenso wurde uns die friedliche Koexistenz der Religionsgemeinschaften anhand der in geringem Abstand gelegenen katholischen und orthodoxen Kirchen sowie der Moscheen für die islamische Mehrheit augenscheinlich. Nicht zu übersehen war aber auch die Vielzahl der in kurzer Zeit errichteten Hochhäuser, die einerseits den wirtschaftlichen Fortschritt, aber – wie von Albanern selbst zugegeben wird – andererseits die vorherrschende Korruption sichtbar machen, denn in solchen Dimensionen wurden sie nicht ordnungsgemäß genehmigt.

Einen eindrucksvollen Überblick über die aktuelle politische Situation bekamen wir im Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung von der Projektkoordinatorin Klaudja Zerva sowie vom Analysten Arben Cejku vermittelt. Weitere wesentliche Hintergrundinformationen erhielten wir von dem ehemaligen Vizepremier Genc Pollo und der neuen EU-Botschafterin Christiane Hohmann. Beide sahen den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen im Juli 2022 als neue Chance, nachdem das Land acht Jahre auf der Wartebank als bloß nomineller Kandidat zugebracht hatte. Dass dabei die Rechtstaatlichkeit ein wesentliches Thema sein wird, wurde auch von Vizeaußenministerin Megi Fino nicht bestritten. Sie verwies auf eine Justizreform, bei der Österreich unterstützend wirkt. Im Zuge dieser werden die Vermögen von Richtern und Staatsanwälten geprüft. Bei Unregelmäßigkeiten führt dies zum Ausscheiden der Betroffenen aus ihren Positionen – was bereits bei der Hälfte, der bisher Überprüften, schlagend wurde.

Die Aufarbeitung der Verbrechen der kommunistischen Diktatur ist eine Aufgabe, der sich Jonila Godole, die Leiterin des „Institute for Democracy, Media and Culture“, widmet. Dies ist kein leichtes Unterfangen, zumal die derzeitige sozialistische Regierungspartei aus der alten kommunistischen Partei hervorging. Die Situation der Opposition wurde uns bei einem Besuch im Hauptquartier der Demokratischen Partei, der Schwesterpartei der ÖVP, dargestellt.

Einblick in das erfreuliche Auftreten Österreichs gewährte uns Botschafter Christian Steiner in der angenehmen Atmosphäre eines Abendessens mit lokalen Spezialitäten. Außerdem durften wir noch zwei Erfolgsgeschichten zum Abschluss unserer überaus informativen Reise mitnehmen. Zum einen erläuterte uns Thomas Douschan, der Direktor der österreichischen Schule in Shkodra im Norden des Landes, das langjährige österreichische Engagement für das albanische Bildungswesen. Diese Initiative ist untrennbar mit dem Namen Elisabeth Gehrer verbunden, denn sie sorgte bereits als Vorarlberger Landesrätin für die Lieferung von Schulmöbeln. Als Bildungsministerin ermöglichte sie schließlich die Gründung einer HTL im Jahr 2007. Derzeit besuchen diese Schule etwa 500 Schülerinnen und Schüler bei einem Mädchenanteil von 40%, wogegen dieser in Österreich in technischen Schulen bei nur 10% liegt. Seit 1992 ist Albanien aber auch ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Über die aktuelle Tätigkeit, die sich insbesondere dem Wassermanagement widmet, erfuhren wir von Simone Ungersböck, der Leiterin des Büros der Austrian Development Agency in Tirana.

Damit verabschiedeten wir uns von einem Land mit nicht zu unterschätzendem Potential, etwa im Tourismus, aber auch mit Herausforderungen, wie der Emigration und der Rechtstaatlichkeit. Hier unterstützend auf dem Weg in die EU zu wirken, wird noch länger ein Thema für die österreichische Außenpolitik bleiben.

Über den Autor
Paul Mychalewicz ist Historiker und Anglist. Er war Lehrer an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Seit einigen Jahren ist er an der Pädagogischen Hochschule Wien als Lehrbeauftragter tätig. Überdies verfasst er regelmäßig Gastkommentare zu politischen und historischen Themen in „Die Presse“, „Wiener Zeitung“, STANDARD und DIE FURCHE.

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