Mehr Anstand in der Politik

Für einige war es “nur” lästig und persönlich belastend, andere haben dadurch Ämter oder Wahlen verloren. Gemeint ist “Dirty Campaigning”, die besonders perfide Machart politischer Kampagnen. Eine Steigerungsform ist der Missbrauch der Justiz für politische Kampagnen. Die Vorgangsweise ist ebenso einfach wie durchsichtig – und meist erfolgreich. Eine Anzeige, oft anonym, und schon kommt der Prozess in Gange. Die Justiz ermittelt, die Medien berichten und politische Propagandisten befeuern die öffentliche Hinrichtung.

Diese Methoden beschädigen mehr als den politischen Gegner – sie schaden Politik und Demokratie, dem Vertrauen in den Staat, insgesamt. Dem muss sich eine aufgeklärte und kritische Zivilgesellschaft entgegenstellen. In diesem Sinn hat die Politische Akademie diesem Thema ein Online-Symposium gewidmet.

Die Nachlese zum Symposium

Die Beiträge vom Symposium zum Nachschauen

Bettina Rausch
Die Präsidentin der Politischen Akademie, Bettina Rausch, hinterfragt in ihrem Eröffnungsstatement die Auswirkungen einer medialen und politischen Kultur, in der die Unschuldsvermutung zum theoretischen Konstrukt wird und die Vorverurteilung in den Medien schwerer wiegt, als die Ergebnisse der Justiz.

Rufmord und Medienopfer – Christian Scherz
Für den Anwalt und Medienrechtsexperten Prof. Christian Scherz steht fest: “Die mediale Vorverurteilung wirkt heute schon viel stärker als die tatsächliche Verurteilung durch das Gericht.” Wer einmal in die Fänge der medialen Vorverurteilungsmaschinerie geraten ist, muss damit rechnen, lange mit den Folgen zu kämpfen. Schertz spricht sich daher für ein entschiedenes Vorgehen der Betroffenen gegen Verleumdungen aus.

Dirty Campaigning – ein internationales Phänomen – Thomas Hofer
Der Politikberater Thomas Hofer stellt die  Geschichte des Dirty Campaignings dar und zeigt den Unterschied zu Negative Campaigning auf. Für ihn hat Negative Campaigning in einem Wahlkampf durchaus Platz, solange gewisse Grenzen nicht überschritten werden. Die Schwierigkeiten im Umgang mit Dirty Campaigning sieht er in der Anonymität der Veröffentlichenden und im „Brandbeschleuniger“ der „(un)sozialen Medien“, die es unmöglich machen, die Verbreitung von Falschinformationen zu stoppen.

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Dirty Campaigning in Österreich – Claus Reitan, Stefan Straßburger
Die gegen Franz Schausberger und Josef Pühringer gerichteten Verleumdungen gehören zu den bekanntesten Fällen von Dirty Campaigning in österreichischen Wahlkämpfen. Journalist und Biograf von Schausberger, Claus Reitan und Stefan Straßburger, der ehemaligen Kommunikations-Chef von Pühringer, sprachen über diese Vorfälle und deren persönliche sowie politischen Auswirkungen.

Medienethische Einordnung – Claudia Paganini
Dirty Campaigning trifft nicht nur Politikerinnen und Politiker sondern auch Wirtschaftstreibende oder generell Menschen des öffentlichen Lebens – kurz: „exponierte Persönlichkeiten“. Aus ethischer Perspektive stellt die Philosophin und Medienethikerin von der Hochschule für Philosophie München, Claudia Paganini fest, dass auch Personen des öffentlichen Lebens ein Recht auf ein Mindestmaß an Privatsphäre sowie die Wahrung ihrer Menschenwürde haben.

Politikwissenschaftliche Einordnung – Rudolf Bretschneider
Der Doyen der österreichischen Meinungsforschung, Rudolf Bretschneider, beschreibt die Auswirkungen von Schmutzkübel Kampagnen. Dabei weist er besonders auf die perfide Technik der Verleumdung hin, die meist nicht ein Gerücht über eine Sache oder einen Vorfall ist, sondern konkret gegen eine Person gerichtet wird. Bretschneider dazu: “Die Verleumdung beginnt als Lüftchen, steigert sich zum Wind, zum Sturm und endet als Orkan.”
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Politikwissenschaftliche Einordnung – Florian Hartleb
Wenn es um Dirty Campaigning geht, dann gehören  Links- und Rechtspopulismus dazu. Der deutsche Politikwissenschaftler Florian Hartleb beleuchtet diese beiden Extreme sowie das Thema  „Feindbilder“ in seinem Vortrag. Dabei geht es auch um die Bedeutung von modernen Technologien, wie der Filterblasen in sozialen Netzwerken, Social Bots oder anonyme „Troll“-Kampagnen, die tendenziöse Stimmung auf Social Media konzertiert verbreiten.

Ausblick: Desinformation und digitale Technologien – Christian Scherg
Der renommierte Online-Reputation Manager Christian Scherg, der unter anderem die deutsche Bundesregierung berät, zeigt auf, welche Herausforderungen durch neue Technologien insbesondere auf Politik und Demokratie durch neue Technologien wie künstliche Intelligenz zukommen.

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Gastkommentar von Bettina Rausch in der Wiener Zeitung

“Grenzen des politischen Anstands”
01.04.2021, Wiener Zeitung
[Zum Beitrag]

 

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