Ludwig Steiner – eine Stütze der Republik und der Politischen Akademie

Am 14. April 2022 hätte der Politiker und Diplomat Ludwig Steiner, der von 1989 bis 1996 Präsident der Politischen Akademie war, seinen 100. Geburtstag gefeiert.

Der Lebensweg von Ludwig Steiner ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Das möchte die Politische Akademie zum Anlass nehmen und an sein Engagement für Österreich und den Aufbau der 2. Republik erinnern. Steiner, der aktiv im Widerstand gegen die Nationalsozialisten engagiert war, absolvierte eine beeindruckende politische Karriere: Neben der Gründung der Tiroler Volkspartei, der Zusammenarbeit mit Staatsvertragskanzler Julius Raab und zahlreichen Stationen als Diplomat, war Steiner auch noch viele Jahre als Abgeordneter und außenpolitischer Sprecher der Volkspartei im Nationalrat aktiv.

Eine Jugend im Zeichen Österreichs

Dem am 14. April 1922 in Innsbruck geborenen Ludwig Steiner wurden das politische Interesse, sowie die Werte und Grundsätze bereits von seinem Vater in die Wiege gelegt. Dieser war Bäckermeister und langjähriger Gemeinde- und Stadtrat der Innsbrucker Volkspartei. So kam Steiner nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland auch schnell in das Fadenkreuz von Hitler Jugend und Gestapo. Nach dem Schulabschluss an der Handelsakademie Innsbruck wurde Steiner sofort zum 7-montigem Arbeitsdienst nach Niedersachsen beordert. Direkt anschließend wurde er von der Wehrmacht eingezogen und an die Eismeer-Front geschickt. Nach schwerer Verwundung kam Steiner 1943 zurück nach Innsbruck und schloss sich dort der Widerstandsgruppe O5, rund um den späteren Außenminister und Tiroler Landeshauptmann Karl Gruber, an. Noch vor dem Eintreffen der amerikanischen Befreiungsarmee war Steiner maßgeblich daran beteiligt, die Stadt von den Nazis zu befreien und kampflos an die Alliierten zu übergeben.

Aufbau der 2. Republik

Nach Ende des zweiten Weltkriegs begann Steiner an der Universität Innsbruck das Studium der Volkswirtschaftslehre, das er 1948 abschloss. Schon im Mai 1945 war er Mitbegründer der ÖVP Tirol sowie Mitglied des provisorischen Tiroler Landtages. In Karl Gruber (nach dem Krieg Landeshauptmann von Tirol) gewann der junge Steiner einen politischen Mentor. Unmittelbar nach Ende des Krieges war Steiner Sekretär des Innsbrucker Bürgermeisters Anton Melzer. Nach dem Studium trat Steiner den diplomatischen Dienst an und folgte Gruber (nun Außenminister Österreichs) ins Ministerium nach Wien und wurde sein Sekretär. 1953 bis 1958 war Steiner Sekretär des Bundeskanzlers Julius Raab. In dieser Funktion nahm er an den Verhandlungen im April 1955 in Moskau teil, die zum Abschluss des österreichischen Staatsvertrags im Mai 1955 führten.

Der Diplomat und Brückenbauer

Die diplomatische Karriere von Ludwig Steiner führte ihn an zahlreiche Stationen quer durch Europa – von Paris bis Sofia. Von 1964 bis 1972 war er Botschafter in Griechenland und Zypern. Ab 1967 übersah er die Hilfsaktionen für politisch Verfolgte und deren Angehörige während der Militärdiktatur in Griechenland. In den 70er Jahren war Steiner Politischer Direktor und stv. Generalsekretär im Außenministerium. In dieser Funktion war er Vorsitzender der Großen Gemischten Kommissionen Österreichs mit den kommunistischen Staaten in Ost- und Mitteleuropa.

1979 bis 1990 war Ludwig Steiner Abgeordneter im Nationalrat für die ÖVP Tirol. In dieser Zeit war er außenpolitischer Sprecher der Volkspartei sowie Vorsitzender dreier Untersuchungsausschüsse, die eine Zäsur der politischen Welt in Österreich darrstellten – Draken, Lucona und Noricum. Gleichzeitig war der überzeugte Europäer auch Mitglied der parlamentarischen Versammlung des Europarates. Als Vorsitzender der politischen Kommission war er dabei maßgeblich an der Einbringung der Konvention für Rechte ethnischer Minderheiten 1989 beteiligt.

Von der Politischen Akademie (fast) in die Pension

1989 bis 1996 war Steiner Präsident der Politischen Akademie der Volkspartei. Sein Engagement im politischen Bildungsbereich, sowie seine weitreichenden diplomatischen Kontakte trugen dazu bei, die Akademie international zu verankern und den Fokus auf die Aus- und Weiterbildung der Parteimitglieder und Funktionäre zu legen.

Andreas Khol, der während der Präsidentschaft Steiners Direktor und anschließend Vizepräsident der Politischen Akademie war, erinnert sich an diesen:

„Ludwig Steiner sicherte mit seiner Präsidentschaft die geistige Unabhängigkeit und die Initiative für Sozialforschung der Akademie gegen alle Tages-Begehrlichkeiten ab.
Als letzter der Staatsvertragsväter und aktiver Widerständler richtete er die Akademie auf einen modernen Patriotismus aus.“

Nach seiner Zeit an der Politischen Akademie wollte Steiner – im Alter von 78 Jahren – sich eigentlich schon in den wohlverdienten Ruhestand zurückziehen. Am Beginn des Jahrtausends wurde er jedoch noch einmal gebeten, zwei bedeutsame Funktionen einzunehmen: Von 2000 bis 2005 leitete er als Vorsitzender das Komitee des Österreichischen Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit. Darüber hinaus war er von 2001 bis 2005 Mitglied des Management Board der Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Ludwig Steiner war eine bewundernswerte Persönlichkeit und der festen Überzeugung, Politik funktioniere nur, wenn man einen Schritt auf sein Gegenüber zu macht. Mit unermüdlichem Engagement und seinem diplomatischen Geschick hat Steiner nicht nur die 2. Republik, sondern auch die Österreichische Volkspartei und die Entwicklung der Politischen Akademie maßgeblich geprägt. Ludwig Steiner ist am 28. Juni 2015 von uns gegangen – er wurde 93 Jahre alt.

Facebook
Twitter
Telegram
WhatsApp
Email

Weitere Themen