„Es war immer ein Ringen zwischen Staat und Freiheit“

Zum Auftakt der Informationsreihe „Impulse zur Bürgergesellschaft“ der Politischen Akademie diskutierten Ulrike Ackermann, Leiterin des John Stuart Mill Institutes für Freiheitsforschung, Michael Borchard, Leiter für wissenschaftliche Dienste der Konrad Adenauer Stiftung, und Andreas Janko, stellvertretender Institutsleiter der JKU in Linz am 5. Mai online über den Gesellschaftsvertrag sowie das Verhältnis von Staat und Bürgergesellschaft.

Die Grundlage für eine tatsächliche Bürgergesellschaft und einen Gesellschaftsvertrag ist per Definition die Freiheit der Bürger. Ackermann sieht die ersten Errungenschaften für diese Freiheit bereits im antiken Griechenland, wo sich in der Wiege der Demokratie die ersten politischen Rechte der Menschen bildeten. Über die Jahrhunderte entwickelten sich diese Freiheiten weiter und mit der Renaissance kam es wie Friedrich Nietzsche sagte zur „Entfesselung des Individuums“. Ackermann beschreibt diesen Emanzipationsprozess des Individuums als Ringen der individuellen, politischen und wirtschaftlichen Freiheiten mit Staat und Allgemeingut. Rechtlich sieht Janko diesen Emanzipationsprozess als Kampf der Bürger mit dem autoritären Herrscher, der durch eine Verfassung in seiner Regentschaft an Vorgaben gebunden werden sollte. Dabei war dieser Verfassungskampf immer ein Ringen um die Verankerung von Grundrechten.

Borchard findet genau in dieser Vorbelastung des Begriffs Bürgergesellschaft als Kampf zwischen Staat und individueller Freiheit das Problem für die heutige Bürgergesellschaft. Denn im Wertewandel der letzten Jahrzehnte sei Freiheit nicht immer als individuelle Freiheit, sondern durchaus auch als gemeinschaftsbezogen für die Bürger wichtig gewesen und auch heute sehen wir einen Mix aus diesen. Die unfassbare Breite des Begriffs und die damit einhergehenden verschwimmenden Grenzen zu anderen Feldern seien problematisch. Er schlägt deshalb „Ordnungspolitik für Bürgerengagement“ als neue Bezeichnung vor.

Um Bürgerengagement zu stärken ist Borchard wichtig, dass dieses zusammen mit Kommunalpolitik gedacht wird, das Lernen der entscheidenden Werte durch Familienpolitik gefördert wird, es niederschwellige Anlaufstellen sowie weniger Bürokratie gibt und die Politik ein anderes Dialogverhalten an den Tag legt, damit Beteiligung der Bürger auch Folgen habe. Wichtig ist ihm dabei, dass der Staat Schiedsrichter bleibt, denn Bürgerengagement werde getötet, wenn man versucht es in Bahnen zu lenken.

Janko sieht hier auch das Bildungssystem in der Pflicht, um jungen Menschen von Beginn an ihre gesellschaftliche Verantwortung zu vermitteln und sie zu eigenverantwortlichem Handeln zu bewegen. Mit Blick auf die Fridays for Future-Bewegung stellt er allerdings in Frage, ob Schulen etwa für Demonstrationen freigeben sollten. Für Borchard ist klar, dass mit der Übernahme von Verantwortung auch immer Risiken einhergehen und dementsprechend die Schüler auch selbst das Risiko unentschuldigt zu fehlen tragen müssen, wenn sie Verantwortung haben wollen.

In Bezug auf die Coronakrise sind sich die Diskutanten einig, dass der Staat aktuell eine sehr große Rolle in der Gesellschaft einnimmt und es essentiell ist, dass er sich bald, wie es Borchard formuliert, wieder vom Spielfeld auf die Schiedsrichter Position zurückzieht. Ackermann sieht hier auch eine Gefahr in dem ständigen Ruf von Arbeitnehmern wie auch Arbeitgebern nach dem Staat in dieser Krise, der den Staat noch stärker eingreifen lässt. Borchard sieht allerdings auch viele positive Beispiele für Bürgergesellschaft in der Krise, wie die vielen Einkaufsservice für ältere Menschen, die der Staat so nie leisten könnte. Hier übernehmen die Bürger eine Aufgabe, die der Staat nicht kann. So müsse Bürgergesellschaft aussehen.

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