Neue Arbeitswelten: Die Gegenwart aus der Zukunft gestalten

Andreas Gnesda ist passionierter Unternehmer und Experte für neue Arbeitswelten. Als Vorstandsmitglied der Politischen Akademie bringt er seine Expertise und sein Netzwerk zu diesem Thema ein. Die Akademie hat ihn zu einem Interview getroffen und mit ihm über aktuelle Trends, bürgerliche Werte und gesellschaftlichen Zusammenhalt im Kontext neuer Arbeitswelten gesprochen.

Die Politische Akademie hat gemeinsam mit Ihnen ein Szenario-Projekt rund um das Thema „Arbeitswelten 2050“ gestartet. Bürgerliche Werte stehen dabei ganz besonders im Fokus. Warum ist es aus Ihrer Sicht wesentlich, sich wertebasiert mit der Zukunft der Arbeit auseinanderzusetzen?
Andreas Gnesda: Man muss sich immer seiner Werte bewusst sein und von ihnen ausgehen. Denn sie sind Motiv und Grundlage für unser Denken und Handeln. Sich immer wieder mit seinen Werten zu beschäftigen, unterstützt dabei, selbstwirksam zu sein. Denn Wirkung kann nur das erzeugen, was in uns als Wert angelegt ist. Das mit Arbeit zu verbinden und dort auch lebbar zu machen, ist eine Entwicklung, die gerade passiert. Eine wertebasierte Auseinandersetzung mit möglichen Zukünften ist eine großartige Möglichkeit, herauszufinden, was wünschenswerte und weniger gute Entwicklungen sind und was diese jeweils befeuert. Damit werden Grundlagen geschaffen, um die Zukunft aus der Gegenwart heraus wertebasiert zu gestalten

Im Jahr 2022/23 wird sich die Politische Akademie unter anderem mit dem Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt aus bürgerlicher Perspektive befassen. Welche Rolle spielt die Arbeitswelt heute und in Zukunft für den gesellschaftlichen Zusammenhalt?
Arbeit hat als Sozialisierungsort an Bedeutung gewonnen. Am Arbeitsplatz bleibt einem nichts anderes übrig, als aus der eigenen Echokammer auszutreten und sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen. Auch wenn viele die Vorteile von Home Office schätzen: Wir Menschen sind Rudelwesen, wir brauchen andere Menschen. Vielleicht ersetzt uns der Arbeitsort auch die immer stärker abnehmenden Bindungen, wie sie etwa die Großfamilie einst geboten hat. Arbeit als Ort sozialer Verbundenheit wird damit immer wichtiger. Denn was wir Menschen wirklich brauchen, sind Beziehungen zu anderen Menschen. Und Beziehungen brauchen die physische Dimension, sie brauchen Präsenz. Nur im Home Office zu arbeiten, kann für Individuen und Organisationen – und damit auch für unsere Gesellschaft – nicht von Vorteil sein. Auf die Mischung kommt es an.

Sie beschäftigen sich nicht nur in Ihrer Rolle als Vorstandsmitglied intensiv mit dem Thema Arbeitswelten, sondern auch als Unternehmer. Was sind für die kommenden Jahre wesentliche Trends?
Wir stehen vor riesigen Veränderungen – Stichwort Zeitwende. Das würde ich auch für die Arbeitswelt in Anspruch nehmen. Wir befinden uns mitten im Wandel von einer Erwerbsgesellschaft hin zu einer Sinngesellschaft. Das wurde durch Corona beschleunigt und betrifft alle Branchen. Heißt auf die individuelle Ebene heruntergebrochen: Ich arbeite nicht mehr nur aus Erwerbsmotiven, sondern weil Arbeit etwas in mir zur Entfaltung bringen kann, was in mir angelegt ist. Das entspricht genau unseren bürgerlichen Werten und unserem Menschenbild. Werteorientierung ist also ein großer Zukunftstrend.
Einen weiteren großen Trend sehe ich darin, dass zutiefst menschliche Eigenschaften aus dem Schatten unseres mechanistischen Weltbilds heraustreten: So bahnen sich etwa Kreativität und Empathie ihren Weg in unser Berufsleben. Und gerade bei jungen Menschen gibt es eine Sehnsucht nach Selbstwirksamkeit. Reine Outputfaktoren – also die Quantifizierbarkeit der Leistung – werden für junge Talente zunehmend in den Hintergrund treten, während die Impactorientierung, also der Wunsch nach Wirksamkeit des eigenen Handels, immer größer wird.

Andreas Gnesda ist Vorstandsmitglied der Politischen Akademie und begeisterter Unternehmer.

 

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