Genau vor zehn Jahren – am 25. Jänner 2011 – brach am „Tag des Zorns“ der Arabische Frühling aus. Menschen in nordafrikanischen und arabischen Ländern protestierten nach jahrelanger Unterdrückung in Massen gegen herrschende Regime. Am 25. Jänner 2021 – genau zehn Jahre später – blickte die Politische Akademie zurück auf eine Bewegung für Frieden und Freiheit und analysierte, was davon übrig geblieben ist. Abgeordneter zum Nationalrat, Nico Marchetti diskutierte mit Thomas Volk von der Konrad Adenauer Stiftung in Tunis, AIES Senior Advisor Wolfgang Pusztai und Nordafrika- und Islamismusexpertin Isabelle Werenfels über die Entwicklungen in Nordafrika.
Weder Religion noch wirtschaftliche Interessen brachten laut der Expertin und den Experten den arabischen Frühling ins Rollen, sondern vor allem der Wunsch nach mehr Freiheit. Nach anfänglicher Euphorie machte sich rasch Ernüchterung breit. Denn subjektiv spürbare Verbesserungen der Lebensqualität blieben weitgehend aus. Von Demokratie alleine könne man eben nicht leben, so Isabelle Werenfels. Auch heute noch stehen in vielen nordafrikanischen Staaten eine schwache Wirtschaft und Korruption an der Tagesordnung. Vereinzelt wurden etwa durch Konterrevolutionen des Militärs erneut autoritäre Systeme etabliert. Auch der politische Islam profitierte von der instabilen Situation nach den Aufständen.
Lichtblick bürgergesellschaftliches Engagement
Die Probleme sind auch 10 Jahre nach dem Arabischen Frühling groß: Nordafrika ist heute das Gebiet mit der größten Jugendarbeitslosigkeit der Welt. Schlechte Gesundheitssysteme können der Corona-Krise kaum Stand halten und der pandemiebedingten Wirtschaftskrise gibt es wenig entgegenzusetzen. Die Bevölkerung traut den politischen Entscheidungsträgern kaum mehr zu, Lösungen für aktuelle Probleme zu finden, wie eine Studie der Konrad Adenauer Stiftung zeigt. Ein Lichtblick jedoch sei das Vertrauen in bürgergesellschaftliche Organisationen, die bereits vor und vor allem nach den Unruhen für Innovation und Unterstützung in der Gesellschaft sorgten. Hier sieht auch Thomas Volk eine nachhaltige Entwicklung, deren Ursprung er im Arabischen Frühling verortet: Die Gesellschaft in den einzelnen Ländern zeige Eigeninitiative und Engagement. Das müsse auch Europa fördern, denn eigenverantwortliche und mündige Bürgerinnen und Bürger seien die Grundvoraussetzung für das Verständnis eines Gemeinwohls, das über die eigene Familie hinausgeht. Dieses Verständnis führe zu Gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität in einer Gesellschaft.
Gemischte Bilanz
Sowohl das persönliche als auch politische und wirtschaftliche Leben in den nordafrikanischen Staaten ist für Pusztai und Werenfels instabiler, als es das vor dem Arabischen Frühling war. Diese Instabilität ermöglicht die Einflussnahme internationaler Akteure, die in Nordafrika geopolitische Interessen verfolgen. Die Studie der Konrad Adenauer Stiftung zeigt, dass neben China Russland und der Türkei auch Deutschland wachsendes Vertrauen der Bevölkerung der Region erfahren. Diesen Einfluss sollten, so sind unsere Gäste sich einig, Deutschland und die EU nutzen, um Stabilität und insbesondere eine starke Bürgergesellschaft zu fördern. Einerseits durch humanitäre Hilfe und Anstöße zur Demokratie und andererseits auch durch die Unterstützung der Infrastruktur im Süden der Länder. Dadurch können nicht zuletzt auch die Beziehungen mit den Ländern der Subsahara gestärkt werden, was zu mehr Sicherheit und Stabilität in Afrika führen kann.