Hermann Glettler, Michael Lehofer: Trost. Wege aus der Verlorenheit.

Styria Verlag (2020), 176 Seiten

In meinem letzten Buchtipp habe ich den Essay „ANGST“ von Petra Ramsauer vorgestellt. Die heutige Empfehlung kann man somit auch als eine(!) mögliche Antwort darauf verstehen. Mit „TROST“ wollen Herman Glettler und Michael Lehofer Wege aus der Verlorenheit aufzeigen, aus Trostlosigkeit und ja, auch aus Sorge und Angst.

Man spürt schon, das Buch passt gut in unsere Zeit. Und auch zur Jahreszeit. Den November haben wir ja mit Allerheiligen und Allerseelen begonnen – einem Gedenken, das mitunter schmerzt und uns trostlos macht. Wir beenden den November mit dem ersten Adventsonntag. Der Advent wiederum stimmt uns auf Weihnachten ein, auf die Geburt des Messias, dessen Leben, Beispiel und Botschaft uns Christinnen und Christen unerschöpfliche Quellen des Trostes sind.

Der Theologe (und Künstler) Hermann Glettler und der Psychologe (und Psychiater) Michael Lehofer gehen dem Thema ihres Buches tatsächlich auf den Grund. Sie beginnen damit, Begriffe zu klären (etwa: “Was ist Trost? Was bedeutet trösten?”) und fragen danach, was uns denn trostlos macht?

Wege und Irrwege

Den größten Teil des Buches widmen sie aber möglichen Wegen aus eben dieser Trostlosigkeit. Sie beschäftigen sich mit nur scheinbaren Lösungs- ja somit Irrwegen, die verlockend aussehen mögen, aber uns nirgendwo hinführen. Und sie leuchten aus, was uns wirklich trösten kann – immer wieder geht es da um Verbundenheit mit anderen und mit Gott, um Ausgleich etwa zwischen Genießen und Verzichten und um die Auseinandersetzung mit Sinn und Endlichkeit unseres (irdischen) Lebens. Das Buch endet mit Reflexionen zur ewiggültigen Trias von Glaube, Hoffnung und Liebe.

Im Gespräch

Wege aus der Trostlosigkeit findet man immer wieder im Zugehen auf ein “Du”. Zu dieser Erkenntnis gelangen die beiden Autoren mehrfach – Anregungen und Belege dafür liefern ihnen die Propheten des Alten Testaments und die Bücher des Neuen Testaments ebenso wie große Denkerinnen und Denker aller Zeiten. So werden zum einen Erich Kästner und Hugo von Hofmannsthal, Margot Käßmann und Clemens Sedmak, Reinhard Haller und die Band STS zitiert, zum anderen beeindruckende Lebensbeispiele wie etwa von Mutter Teresa, Viktor Frankl oder Vaclav Havel herangezogen.

Der Bischof und der Mediziner treten auch selbst den Beweis an, indem dieses Buch im Dialog entstanden ist. Diese Auseinandersetzung miteinander und mit so vielen Fragen rund um Trost und Trösten kann man mit- und nachlesen. Das fand ich nicht nur leicht zu lesen, vielmehr fühlte ich mich dadurch auch in dieses Gespräch miteinbezogen, quasi aufgefordert, mir selbst Gedanken zu machen und nach meinen eigenen Antworten zu suchen.

Diese Anmerkung sei mir gestattet: Dass ich dieses Buch empfehle, bedeutet nicht, dass ich mit allen v.a. von Bischof Glettler geäußerten politischen Meinungen und Forderungen übereinstimme. Lesen ist aber immer auch eine Einladung, eine Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern, sich im besten Sinne mit anderen Menschen und Meinungen auseinanderzusetzen und damit die Grundlage für echten Dialog zu legen.

Schwacher Trost?

Wir leben in durchaus herausfordernden Zeiten – allzu verständlich, dass jeder und jede von uns sich tatsächlich hin und wieder trostlos fühlt, untröstlich ist. Hermann Glettler und Michael Lehofer reden dieses Erleben nicht schön, aber sie weisen eindrücklich auf die Chancen hin, die darin liegen, sich mit der eigenen Trostlosigkeit auseinanderzusetzen.

Das Buch richtet sich an jeden und jede Einzelne und zeigt auf, was man selber tun kann – für sich, für andere, für Gemeinschaften, etwa in dem man voreilige Schuldzuweisungen vermeidet, im besten Sinne “vor der eigenen Haustür kehrt”.

Dennoch lässt es die Verantwortung natürlich nicht nur beim Einzelnen. Wer öffentlich Verantwortung trägt, etwa in Kirche und Politik, hat aus diesen Rollen heraus mehr Möglichkeiten, gegen Eskalation und ständige Empörung, vielmehr für ein Klima der Wertschätzung und Verbundenheit, der Barmherzigkeit und Zuversicht einzutreten. Zu diesem engagierten, im besten Sinne christlichen Wirken, laden die beiden Autoren ein.

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Buchtipps von Bettina Rausch-Amon

Bettina Rausch-Amon, geboren 1979, Mag. phil., MBA (Health Care Management), ist Präsidentin der Politischen Akademie der Volkspartei und Abgeordnete zum Nationalrat. Sie war fünf Jahre lang Mitglied des Bundesrates und weitere fünf Jahre lang Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag. Sie ist Herausgeberin zahlreicher Publikationen, zuletzt des Sammelbandes „Christlich-soziale Signaturen. Grundlagen einer politischen Debatte,“ gemeinsam mit Simon Varga, und des Sammelbandes „Bürgergesellschaft heute. Grundlagen und politische Potenziale“ gemeinsam mit Wolfgang Mazal. Seit 2018 ist Rausch Mitherausgeberin des „Jahrbuchs für Politik“. Bettina Rausch ist externe Lehrbeauftragte u.a. an der IMC FH Krems und an der FH Campus Wien.

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