Freude daran, Wissen zu teilen

„Die Welt verstehen“ sei wesentlicher Bestandteil und Leitlinie in der Arbeit der Politischen Akademie, kündigte Präsidentin Bettina Rausch zur Vorstellung des neuen Programms im Herbst an. Unter diesem Motto stand auch die Online-Veranstaltung mit Autor Wolf Lotter. Im Rahmen von Aufgeblättert, der Buchpräsentations-Reihe der Politischen Akademie, sprach die designierte Direktorin Elisabeth Mayerhofer mit dem anerkannten Wirtschaftsjournalisten Wolf Lotter über seine Neuerscheinung „Zusammenhänge. Wie wir lernen, die Welt wieder zu verstehen“.

In der Tat sei es immer schwieriger bei einer schneller werdenden und komplizierten Welt den Überblick zu behalten, beginnt Lotter und betont, es sei umso wichtiger die Sinne für die Zusammenhänge zu schärfen. Geopolitik, Fake-News und Digitalisierung sind hier Schlagwörter. Mayerhofer und Lotter wissen, dass man bereits in der Bildung ansetzen müsse und eine humanistische Allgemeinbildung heutzutage unerlässlich sei. Denn nicht jedes Kind müsse programmieren können, jedoch sollten unsere Jüngsten lernen, Medien zu verstehen und kritisch zu hinterfragen. Zentral sei daher Kontextwissen, Wissen zu verknüpfen und Hintergründe zu verstehen. Demgegenüber stehe reproduzierbares Wissen wie Lesen und Schreiben, das zwar unerlässlich sei, aber nicht alleine zu Selbstständigkeit und Unabhängigkeit führen könne. Konrad Paul Liessmann sehe das auch so, meint Lotter und zitiert diesen, „Bildung heißt verstehen“.

In seinem Fachgebiet der Ökonomie sieht Lotter historische Spannungen, die man auf Unwissenheit und Desinformation zurückführen könne. Diese ideologische Zuspitzung beobachte man in Europa schon seit dem 19. Jahrhundert. Ihre Wurzeln lägen in der Konfrontation zwischen alten und neuen Mächten. Kapitalismuskritik entstehe durch scheinbare Machtlosigkeit und Ohnmacht gegenüber einem System, das man nicht verstehe. Vor allem in der Wirtschaft müsse man verstehen, um frei zu sein, anstatt einem System gegenüber zu stehen, das übermächtig wird. Der Auftrag der Aufklärung sei auch sich selbst darum zu bemühen die Welt zu verstehen, schließt Lotter ab, wieso solle das heute anders sein? Die Emanzipation des Menschen, bis alle nach ihren individuellen Talenten behandelt würden, dauere eben noch an. Im 21. Jahrhundert müsse man lernen wie man sein Wissen praktisch anwendet, wie Wirtschaft funktioniert und wissen aus welcher Kultur wir stammen.

Kritisches Fragen und Verstehen lernen sei im Zeitalter der Digitalisierung eine neue Notwendigkeit. Moderne, intelligente Systeme seien gar keine intelligenten sondern technologische Systeme, hinter welchen immer noch Menschen stehen. An eine Ohnmacht des Menschen gegenüber diesen glaubt Lotter nicht. Die Technik ermögliche die Beeinflussung und Manipulation von Bildern, sowie der Sprache und der Informationen. Man müsse die Augen schärfen für technische Fälschungen, die im Internet auftreten. Humanistische Bildung im Bereich der Digitalisierung gehöre auch zum Fortschritt. In diesem Kontext ergänzt Direktorin Mayerhofer das „Wiener Manifest für Digitalen Humanismus“ in Zusammenarbeit mit der TU Wien und die „Initiative For Teaching Entrepreneurship“ als Vorreiter.

Die Entwicklung und der Aufschwung von Verschwörungstheorien seien problematisch und polarisierend auf allen Seiten. Das Ergebnis von diesen könne man auch historisch beobachten wie beispielsweise in der Geschichte des Antisemitismus. Schließlich müsse die Demokratie auf solche Strömungen reagieren und könne gestärkt werden. Damit dieses Potenzial genützt werden könne, müsse Politik greifbar werden und der Nutzen dieser auf den Einzelnen zurückgeführt werden.

Zu einem Weihnachten in der Corona-Pandemie wünscht Lotter den Zusehern und allen Menschen Zuversicht, dass wir nicht nur dorthin kommen, wo wir waren, sondern noch viel weiter, und Freude daran, gemeinsam etwas voranzutreiben und Wissen zu teilen.

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