Der erste Kanzler der Zweiten Republik

Vor 75 Jahren – am 20. Dezember 1945 – wurde Leopold Figl als erster Bundeskanzler der 2. Republik angelobt. Bei der ersten Nationalratswahl nach dem 2. Weltkrieg am 25. November 1945 hat die Volkspartei mit ihm als Spitzenkandidaten 49,8 Prozent und damit den ersten Platz erreicht. Um an seinen Leistungen im Wiederaufbau zu erinnern, hat Sebastian Kurz aus diesem Anlass den Steinsaal im Bundeskanzleramt umbenannt in Leopold-Figl-Saal (mehr dazu im KURIER). “Figl hat durch seinen unbändigen Willen, seine Courage und seinen unerschütterlichen Glauben an Österreich vielen in den schwersten Stunden unserer Geschichte Orientierung und Mut gegeben. Dafür und für seinen Einsatz für ein freies und geeintes Österreich sind wir ihm zu tiefstem Dank verpflichtet”, würdigt Sebastian Kurz den Staatsmann.

In seiner Regierungserklärung hat Figl – wenige Monate nach Kriegsende – betont: “Es wird heuer leider kein Weihnachten sein, so wie wir es gerne haben möchten.” Eingang in die Geschichte hat seine legendäre Weihnachtsansprache gefunden, in der er sich per Radio an die österreichische Bevölkerung gewandt hat. Hier gibt es dieses historische Tondokument zum Anhören.

“Ich kann Euch zu Weihnachten nichts geben,
ich kann Euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt,
keine Kerzen geben, kein Stück Brot, keine Kohle, kein Glas zum Einschneiden.
Wir haben nichts.
Ich kann Euch nur bitten, glaubt an dieses Österreich!”

Leopold Figl am 24. Dezember 1945

Weihnachten 1945 – Eine Ansprache schreibt Geschichte


Quelle: Österreichische Mediathek, Wien

Immer noch bekommt man Gänsehaut und es stellen sich andächtige Stille, Nachdenklichkeit und Betroffenheit ein, wenn man diese Sätze hört. Die Weihnachtsansprache von Leopold Figl dokumentiert den ungebrochenen Lebens- und Überlebenswillen Österreichs nach Nazi-Diktatur und Wiedererlangung der Eigenstaatlichkeit.

Die Ansprache wurde im Radio ausgestrahlt und auf Magnetband aufgezeichnet. Allein, einige Jahre später war das Originalband verschollen. Vielleicht ist es verloren gegangen, vielleicht wurde es überspielt, man weiß es nicht. Aufgefallen ist das erst im Jahr 1965, als Hans Magenschab als Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände begann, eine Festveranstaltung zum 20. Jahrestag des Kriegsendes und zum 10. Jahrestag des Staatsvertrages zu organisieren. Auf der Suche nach historischen Aufzeichnungen stieß er auf Berichte und Fragmente dieser heute so berühmten Ansprache – im ORF war die Aufzeichnung allerdings nicht mehr aufzutreiben.

Dass es heute ein Tondokument gibt, ist Hans Magenschab und dem jungen Ernst Wolfram Marboe, später ORF-Programmintendant, zu verdanken. Ersterer hat den Text der damaligen Weihnachtsansprache rekonstruiert, zweiterer hat die Aufzeichnung im ORF organisiert. 1965 war Leopold Figl Landeshauptmann von Niederösterreich und bereits schwer gezeichnet von seiner Krebserkrankung, dennoch kam er regelmäßig ins Funkhaus in die Argentinierstraße, um Radioansprachen aufzunehmen. Einen solchen Besuch nutzen die beiden, um ihm vorzuschlagen, die Ansprache von vor 20 Jahren nochmal aufzunehmen. „Ja, so etwas hab ich damals zu Weihnachten 1945 gesagt“, kommentierte Figl den ihm vorgelegten Text, stellte sich vors Mikrofon, sammelte sich und sprach den Text, den wir heute noch kennen, der uns heute noch berührt. Ein „originales Remake“ war geboren, autorisiert durch Leopold Figl persönlich.

„Die 40.000 Leute vor dem Stephansdom bis zur Pestsäule waren tief erschüttert, als Figls ‚Weihnachtsrede‘ aus den Lautsprechern tönte und Leopold Figl selbst schluchzte heftig“, erinnert sich Hans Magenschab an die „Erstausstrahlung“ des Remakes im Rahmen der Festveranstaltung im April 1965. Emotionen, die viele auch heute noch verspüren, wenn sie dieses berührende Tondokument von Freiheit und Österreichbewusstsein hören.


Bei der ersten Wahl gleich Kanzlerpartei

Flugzettel, Plakate, gar Werbegeschenke – so einfach war das nicht, bei der ersten Nationalratswahl der 2. Republik, im November 1945, nicht viel mehr als ein halbes Jahr nach Kriegsende.

Das lief nämlich so ab: Papierkontingente für Plakate und Werbemittel wurden streng zugeteilt, und zwar von den sowjetischen Besatzern in Wien. Der erste Wahlkampf nach Kriegsende erfolgte also unter ganz speziellen Umständen. Doch trotz der beschränkten Mittel gelang es der Österreichischen Volkspartei, sich als Partei aller Österreicherinnen und Österrreicher, als Partei der Mitte und konsequent antimarxistisch zu positionieren. Sehr zum Leidwesen des sowjetischen Außenministers Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow. Er hatte, wie Historiker Stefan Karner weiß, hohe Erwartungen an seine Genossen von der SPÖ und KPÖ. Die wurden allerdings bitter enttäuscht.

Denn der Wahltag am 25. November 1945 endete mit einer Überraschung: Die Österreichische Volkspartei erreichte 49,8 Prozent der Stimmen und 85 Mandate. Das bedeutete die absolute Mehrheit für die Volkspartei. Bei der ersten Wahl in der 2. Republik gelang der Volkspartei der Einstieg als Kanzlerpartei. Die SPÖ kam auf 76 Mandate, die KPÖ auf nur vier. Die Schuld für dieses Ergebnis gab Moskau den Sozialisten um Renner, vor allem jedoch der Volkspartei. Generell habe die Volkspartei seit Anfang der Wahlkampagne „einen aktiven Kampf gegen Kommunisten und Sozialisten geführt (…) und eine antisowjetische Propaganda betrieben.“ Und das, obwohl für Propaganda jeglicheMittel fehlten. Die schwierige Situation Österreichs macht es aber erforderlich, dass nach dem Wahlkampf wieder alle politischen Kräfte zusammenwirken mussten. Der neue Bundeskanzler Leopold Figl war also um Konsens bemüht. Er entschied sich, trotz „Absoluter“ auf eine Alleinregierung zu verzichten. Sein Modell: Eine Konzentrationsregierung. Sie bestand aus sieben Vertretern der Volkspartei, die SPÖ war mit fünf, die KPÖ mit einem Regierungsmitglied vertreten. Besondere Zeiten erfordern eben besonders weitsichtige Maßnahmen. Und Leopold Figl war dafür der Richtige.

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